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November 2019

Treibhausgasneutralität in deutscher Chemieindustrie bis 2050 technologisch möglich

Die deutsche chemische Industrie kann ihren Treibhausgasausstoß mithilfe neuer Produktionstechnologien bis 2050 fast vollständig reduzieren. Nötig sind dafür günstige Rahmenbedingungen, insbesondere große Mengen emissionsfreien Stroms aus erneuerbaren Quellen zu niedrigen Preisen.

Die deutsche chemische Industrie kann ihren Ausstoß von Treibhausgasen mithilfe neuer Produktionstechnologien bis zur Mitte des Jahrhunderts fast vollständig reduzieren. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), erstellt durch die Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA) und das Beratungsunternehmen FutureCamp. Die Analyse untersuchte auch die Voraussetzungen, damit die Branche bis 2050 treibhausgasneutral werden kann: Neben der Entwicklung neuer Verfahren, vor allem in der Basischemie, sind dazu ein dauerhaft niedriger Industriestrompreis sowie erhebliche Mengen emissionsfreien Stroms aus erneuerbaren Quellen notwendig.

Die Studie ist das Ergebnis einer langen und intensiven Beschäftigung der Branche mit dem Thema Klimaschutz. Die erforderlichen CO₂-freien Verfahren zur Herstellung von Basischemikalien sind heute prinzipiell bekannt, sie müssen aber für die großtechnische Verwendung noch weiterentwickelt und marktreif gemacht werden. Ihr Einsatz sei ab Mitte der 2030er Jahre denkbar.  Unternehmen können die Transformation hin zu null Emissionen allerdings nur vorantreiben, wenn sie in jeder Phase wettbewerbsfähig bleiben und über große Mengen erneuerbaren Stroms zu niedrigen Kosten verfügen können.

Drei Entwicklungspfade analysiert


Die Studie mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland“ beschreibt die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte anhand drei unterschiedlicher Ambitionsniveaus:

In einem Referenzpfad würde die deutsche Chemie weiterhin mit den heutigen Technologien produzieren, ihre Effizienz durch kontinuierliche Investitionen aber weiter erhöhen. Damit kann sie bis 2050 eine Treibhausgasminderung von 27 Prozent bezogen auf das Niveau von 2020 erreichen.

Sogar 61 Prozent Minderung sind möglich, wenn die Unternehmen im zweiten Technologiepfad zusätzlich stark in neue Prozesstechnologien der Basischemie investieren. Allerdings geht mit diesem Ambitionsniveau bereits ein sehr hoher Bedarf an erneuerbarem Strom von 224 Terawattstunden pro Jahr einher, was der Gesamtstrommenge Deutschlands aus erneuerbaren Energien 2018 entspricht. Das zusätzliche Investitionsvolumen in neue Anlagen liegt bei rund 15 Mrd. Euro.

Noch weitergehende Maßnahmen beschreibt der dritte Pfad Treibhausgasneutralität, der die Lücke zur vollständigen CO₂-Minderung schließt: Danach würden neue Prozesstechnologien von den Unternehmen schon dann eingeführt, wenn sie eine CO₂-Ersparnis erbringen, selbst wenn sie noch nicht wirtschaftlich sind. Alleine für die Herstellung der sechs in der Studie untersuchten Grundchemikalien müssten die Unternehmen von 2020 bis 2050 rund 45 Mrd. Euro zusätzlich investieren. Der Strombedarf würde ab Mitte der 2030er Jahre zudem noch einmal rasant ansteigen und mit 628 Terawattstunden etwa das Niveau der gesamten heutigen Stromproduktion in Deutschland erreichen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine treibhausgasneutrale Chemie ohne günstige Rahmenbedingungen schwierig umzusetzen ist. Je ambitionierter die deutsche Chemie das Ziel Treibhausgasneutralität verfolgt, umso stärker steigen die damit verbundenen Kosten und der Strombedarf. Die Politik steht vor der Aufgabe, neue Technologien in allen Phasen von der Entwicklung bis zur Markteinführung zu begleiten. Sie muss zudem die chemische Industrie am Standort Deutschland international wettbewerbsfähig erhalten. Dies kann über ein globales Klimaschutzabkommen oder durch staatliche Unterstützung geschehen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: vor allem niedrige Strompreise sind für die Branche auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität unabdingbar. Die neuen Verfahren sind in Deutschland vor 2050 nur bei Stromkosten von 4 Cent pro Kilowattstunde wirtschaftlich. Davon sind wir heute weit entfernt. Die Politik wird daher über die heutigen Entlastungs- und Carbon-Leakage-Regeln hinaus weitere Maßnahmen treffen müssen, um die Stromkosten für die Industrie zu dämpfen. Bereits 50 Prozent höhere Stromkosten – also 6 Cent je Kilowattstunde – würden bei den meisten Verfahren die Wirtschaftlichkeit in einen Zeitraum deutlich nach 2050 verschieben.

Weiterführende Informationen:

Renate Klingenberg

Renate Klingenberg

Die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende braucht Engagement und innovative Lösungen. Das ChemCoast-Netzwerk setzt auf die vorhandenen Stärken der Region, um mit dem Projekt Windwasserstoff seinen Beitrag zu leisten.

Renate Klingenberg Geschäftsführerin ChemCoast e. V.